Henry Davies Interview

 In Culture

Ich traf mich mit Henry an einem Dienstag, kurz nachdem die Riots in London ihren Höhepunkt erreicht hatten. Noch am Vorabend hatte er mir per SMS geschrieben, dass er nicht sicher war, ob es mit dem Interview klappen würde, weil die Situation in Hackney, East London völlig eskalierte. Zum Glück blieb der Laden unversehrt, denn sonst wäre nicht nur unser Termin ausgefallen, sondern die Welt wäre um einen einzigartigen Store und einen Wallfahrtsort für Vans-Sammler ärmer. Wir trafen uns also in „The Other Side of the Pillow“, der sich in einer winzigen Straße, weit abseits der Hippster-Meilen befindet. Und obwohl mir Henry sagt, dass er sich nicht wirklich nach einem Interview fühlt, kommt er nach ein paar Fotos so langsam in die Gänge und erzählt mir seine Geschichte.


MK: Ich kann mir gut vorstellen, dass du gerade sehr angespannt bist, oder?

HN: Auf alle Fälle. Gestern Morgen war noch alles gut, die Geschäfte schienen sich zu erholen und die Anniversary-Party letzte Woche fühlte sich gut an. In so einer Ausnahmesituation fängt man an, alles in Frage zu stellen. Ich war ehrlich gesagt darauf vorbereitet, hier reinzukommen und einen leeren Laden vorzufinden. Ich bin nur dankbar, dass das nicht der Fall ist.
MK: Dir fällt bestimmt ein Stein vom Herzen. Der Laden ist ein Lebenstraum von dir, oder?
HN: Die Dinge haben sich so ergeben, eins kam zum anderen, ohne dass es jemals als Traum definiert war. Aber ich kann heute auf jeden Fall sagen, dass es meine Leidenschaft ist und dass ich mir ganz schwer vorstellen kann, etwas anderes zu tun.

MK: Du kommst eigentlich aus Australien – warum warst du nach London gekommen?
HN: Unsere ganze Familie ist nach England gekommen. Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Ich lebte immer in Australien in irgendwelchen Vororten, noch nie in einer großen Stadt.
MK: Und daraus sind mittlerweile fünf Jahre geworden, und zwei Jahre davon hast du schon „The Other Side of the Pillow“. Es ist aber nicht der erste Laden in diesen Räumlichkeiten, oder?
HN: Zuerst war ein traditioneller englischer Schuhladen drin, von den 30er Jahren bis in die späten 90er. Dann hat mein Vermieter das Gebäude gekauft und seinen Freunden, einer Gruppe von Künstlern, die sich Le Gun nennt, erlaubt, eine Art Ausstellung/Studio/Shop-Ding aufzumachen. 2009 kamen wir dann, mein Partner Maurizio di Nino und ich.
MK: Also, warum gerade Vans?
HN: Ich bin einfach mit Skateboarding aufgewachsen. Es ist die ganze Story hinter der Marke, die mich inspiriert, das Fundament, auf dem sie aufbaut. Die Wurzeln von Vans sind so mit denen von Skateboarding und Action Sports verflochten. Außerdem sind sie einfach verdammt haltbar, also wirklich gut gemacht.
MK: Wann hast du dein erstes Paar gekauft?
HN: Ich habe ein Paar in einem Charity Shop irgendwo am Strand in Australien gekauft. Es war ein Chukka Boot in Suede, Style #49, wahrscheinlich immer noch mein Lieblingsmodell. Mein Freund aus Amerika erzählte mir damals die Story von Vans und klärte mich auf, über den besseren Schnitt, die besseren Materialien, den Komfort … so hat alles angefangen.
MK: Wie alt warst du damals?
HN: Ich war schon 16. Ich hatte zwar 1988 mit Skateboarding angefangen, aber wusste noch nichts über Vans. Damals war die Firma in finanziellen Schwierigkeiten. Airwalk und Vision waren die großen Marken zu der Zeit, und ich trug sie natürlich auch. Mittlerweile geht alles um Vans, mein ganzes Leben dreht sich darum. Ich esse, schlafe, trinke, denke und träume Made in USA Vans! Sobald du einmal ein paar Originale hattest, gibt es kein Zurück mehr.
MK: Was ist das seltenste Paar, das du hier im Laden hast?
HN: Wir haben ein paar aus den ersten Produktionsjahren. Und die Disney’s im Kühlschrank sind auch sehr selten.
MK: Ja, der Kühlschrank! Bernhard Glimm von Shemonster hat mir gesagt, dass ich unbedingt ein Bild davon machen soll, weil alle darüber sprechen.
HN: Yeah, es ist wie ein Schrein. Als wir den Laden aufmachten, war er noch viel voller. Dieser Style ist sehr angesagt.

MK: Wie bist du mit Maurizio zusammengekommen?
HN: Wir haben zusammengearbeitet, als ich nach London kam. Wir merkten, dass wir beide eine Leidenschaft für Vintage und für das Sammeln haben. Jeder mit seinem eigenen Blickwinkel. Er hat ein tolles Auge für Details, und weil er in Italien aufgewachsen ist, hat er auch ein Auge für italienisches Design und Qualitätsprodukte.
MK: Aber ihr macht beide nicht nur den Laden, oder? Habt ihr noch andere Jobs?
HN: Ja, vor zwei Jahren war die Straße hier tot. Wir sind mit der Lage schon ein Risiko eingegangen und es hat zwei Jahre gedauert, das hier zu etablieren. Erst seit diesem Jahr können wir uns einfach nur darauf konzentrieren, den Laden zu führen. Wir arbeiten beide Teilzeit, aber eher um eine gute Balance und etwas mehr finanzielle Sicherheit zu haben. Auch um bei Verstand zu bleiben. Wenn ich die ganze Woche hier wäre, würde ich durchdrehen. Ich mag Balance.
MK: Wer sind die Kunden, die hier einkaufen gehen?
HN: Eine Menge meiner Freunde tun das, Leute … bei unserer Party am Donnerstag war eine Menge los.
MK: Hast du einen bestimmten Trainer, den du hervorheben möchtest?
HN: Dieser eine hier ist in den letzten zwei Jahren durch die Decke gegangen. Seit ich den auf dem Blog hatte, ist das viral rumgegangen. Ich habe wirklich hunderte von Leuten, die auf einen in ihrer Größe warten.
MK: Also wenn jemand einen speziellen Vans Schuh braucht, sagen die Leute „call Henry!”, oder wie?
HN: Deswegen sind Leute hier: Weil sie etwas anderes wollen, etwas Exklusives… Wir haben eine Mailing List, über die wir Leute informieren, wenn neue Ware kommt. Der Blog ist in Sachen Vans eine echte Autorität geworden. Ich versuche Leute über die Stärken der Marke und der Geschichte aufzuklären – damit es weiter wachsen kann.
MK: Wo kauft ihr eure Ware ein?
HN: Nun ja, idealerweise mögen wir es, zu reisen und irgendwo in einem staubigen Keller einen alten Bestand zu finden!
MK: Verrat uns nicht alles, sonst kopieren die Leute das.
HN: Nicht alles, keine Sorge (lacht). Ein paar davon sind online, weil wir nicht die Zeit haben, so viel zu reisen, denn wir müssen ja arbeiten Aber davor bestand unser Leben darin, durch Europa oder Amerika zu reisen, um einzukaufen. Wir haben diese Kunst, Stocks zu finden, schon ziemlich perfektioniert.
MK: Das alles kostet aber eine Menge Geld und Zeit.
HN: Ja, in der Tat. Aber wann immer wir in den Urlaub fahren, suchen wir nach alten Shops und irgendwelchen Schätzen. Ich fahre im Oktober in die Staaten, um mal wieder jagen zu gehen.

MK: Wie viele Paare findest du dann für gewöhnlich in einem Laden?
HN: Ja, ich habe noch nie mehr als fünf Paare gefunden. Ich warte immer noch auf den Tag, an dem ich hunderte auf einmal finde. Vielleicht passiert das noch.
MK: Du verkaufst ja nicht nur Vans, sondern auch Converse, dann noch alte Sonnenbrillen und so weiter. Ist alles Vintage, was man hier sieht?
HN: Ja, ich würde sagen, der größte Teil ist aus der Zeit von vor 1994. Aber nicht jeder mag Vans oder überhaupt Trainers. Wir würden uns sehr isolieren, wenn wir uns darauf beschränken würden. Wir versuchen jeden in den Laden zu bekommen und haben auch eine große Leidenschaft für Sonnenbrillen.
MK: Es ist der ganze Spirit.
HN: Genau, es ist die Atmosphäre. Wir wollen die Leute zu uns einladen, und das funktioniert auch ganz gut, weil sich der Shop wie ein altes Wohnzimmer anfühlt.
MK: Was ist der bekannteste Vans Trainer?
HN: Wahrscheinlich dieser hier, der Style #95 Era im Two-Tone blau/rot/blau Colorway. Er wurde 1976 speziell für Skateboarding gemacht. Die Skater aus der Dogtown Ära in Venice machten ihn zur Legende.

MK: Was ist mit diesen Patchwork Teilen … irgendwelche Favoriten?
HN: Das sind frühe Vans Custom Mades. Die gehen teilweise zurück bis in die 60er Jahre. Die Kunden haben das Design und den Colorway ausgesucht und danach wurde der Schuh handgemacht. Das hier sind Style #19 Plimsolls mit dünner vulkanisierter Sohle – nice!
MK: Du stellst auch im Vans Store in der Carnaby Street aus. Wie kam der Kontakt zustande?
HN: Die Managerin des Carnaby Stores wohnte hier in der Straße und entdeckte den Shop. Wir haben uns angefreundet und ich habe ihr gesagt, dass das kein Zufall ist. Lass uns was zusammen auf die Beine stellen – und der Rest ist History, zuzusagen.
MK: Ich kann mir vorstellen, dass dein Zuhause auch vor allem mit alten Dingen eingerichtet ist, oder?
HN: Vintage hat eine große Lobby mittlerweile. Wenn du zur Brick Lane gehst, findest du lauter Shops. Es hat nur teilweise ein schmutziges Image. Wir versuchen nur „dead stock“ zu verkaufen und Sachen, die man wirklich sammeln kann, also mit etwas mehr Substanz und Klasse.

MK: Welche Schuhe trägst du heute?
HN: Nur ein Two-Tone. Ich liebe diese Schuhe und ich liebe es, mit Farben oder Kontrasten zu arbeiten. Die Two-Tones bringen mich zurück in die Anfangszeit von Vans, zurück zur Einfachheit der 70er Jahre. Wenn ich die Disney’s in meiner Größe hätte, würde ich die auch tragen.
MK: Welche Größe hast du?
HN: UK 8.
MK: Aber das ist Sample Size…
HN: Das stimmt, aber Vans hat bei den alten Schuhen nie „sample sizing“ betrieben. Ich habe ein paar wunderschöne und seltene, die ich zu besonderen Anlässen anziehe. Ansonsten setze ich auf Klassiker.
MK: Was sind deine drei Favoriten und warum?
HN:
1. Style #72 „Lacy“ ist ein süßer modifizierter Slip-On aus den 70er Jahren mit 360° Lacing. Es ist eigentlich ein Boat Schuh, aber in Two-Tone hat er etwas mehr Skate Attitude.
2. Der zweite ist ein seltener Chukka aus den frühen 90er Jahren mit braunen Akzenten und Leder-Details. Es geht da vor allem um das Material. Tief grünes Cord Upper, schwarzer Rubber und die braunen Details … so smooth.
3. Zum Schluss ein Ladies Stye #60 Era. Auch wieder mit Trimmings und mit einem wunderschönen Canvas Plaid. Das ist für den wahren Connaisseur. So viel mehr Klasse als dein üblicher Skateschuh. Man könnte ihn zu einem Anzug tragen.

MK: Wenn Vans dir einen Job anbieten würde, müsstest du der glücklichste Sammler der Welt sein, oder nicht?
HN: Naja, ich habe eng mit dem Head of Marketing für Europa für einen Product Launch zusammengearbeitet. Ich habe die Originale beigesteuert, die die Inspirationen für die neuen Produkte waren. Ich hoffe, dass ich mal Tony Alva, Geoff Rowley und Caballero treffen kann, beim Downtown Showdown vielleicht. Mein großes Ziel ist aber, dass Steve van Doren mal durch diese Tür geht. Sein Vater hat Vans 1966 angefangen – er ist der Pate! Das wäre ein persönlicher Traum, und ich denke auch, dass es dem Laden helfen würde, wenn diese Leute hier reinkommen würden. Es könnte Türen öffnen und meine Beziehung zu Vans auf ein anderes Level heben. Vielleicht kann ich beratend bei Designs aus alten Katalogen helfen, oder vielleicht kann Vans mir helfen, die Mutter aller Vintage-Bestände ausfindig zu machen!

Interview & Fotos: Matylda Krzykowski
Vintage-Connector: Bernhard Glimm

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